„Es war einmal oder nicht“ – so beginnen die Märchen Afghanistans. Sie klingen, als könnten sie ihr Glück nicht glauben, das Glück der Erzählung. Uns kommt solch ein Zweifel vielleicht ein wenig rational vor, finden wir ihn über dem Eingang in die Welt der Märchen. Aber in Afghanistan wird die Übertreibung, die Liebe zur Beschönigung, zur Ausschmückung, zum Eigenlob, „Laaf“ genannt und wie eine Nationalkrankheit behandelt. So klingt in diesem Land, das die Vergangenheit so oft als ein trügerisches Idyll beschworen hat, auch der Zweifel an dem glücklichen „Es war einmal“ berechtigt – oder nicht?... Man findet kein Kind, das nicht in den Kriegshandlungen aus dreißig Jahren seine eigenen Verluste erlebt, Familienangehörige, Freunde, Mentoren verloren oder dem Sterben anderer zugesehen hätte. Unsere Einfühlungsmöglichkeiten kapitulieren vor diesen Geschichten. Sie kapitulieren oft auch vor den Gesichtern dieser Kinder, der Zeichnung, die sie erfuhren. Man kann, was sie denken, wollen, sagen, malen, schreiben, erfinden, lieben, träumen, hoffen, was sie ängstigt und was sie im Kino suchen, niemals von dem Eindruck lösen, den der Krieg in ihnen hinterließ. Dies ist das Scharnier, in dem sich alle anderen Erfahrungen drehen, und so hat auch das Erzählen in den letzten Jahrzehnten seine Themen verändert und seine Bedeutung…..
Auszug
Tina Hopperdietzel
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